Wenn dem (Sozial-) Versicherungsträger Fehler passieren, hat diese nicht der Versicherungsnehmer bzw Leistungsempfänger auszubaden – dies hat das Arbeits- und Sozialgericht Wien in einer aktuellen, bereits rechtskräftigen Entscheidung, welche Rechtsanwalt Georg Kudrna für seinen Mandanten erreichen konnte, klar gestellt.
Fehler können immer und jedem passieren – und zwar auch Sozialversicherungsträger. Das ist klar. Doch wer hat dann den Fehler auszubaden? Muss der Versicherungsnehmer bzw Leistungsempfänger, welcher gutgläubig Zahlungen erhalten hat, Rückzahlungen leisten? Gemäß § 107 ASVG bzw § 76 GSVG hat der Versicherungsträger zu Unrecht erbrachte Geldleistungen sowie den Aufwand für zu Unrecht erbrachte Sachleistungen (nur dann) zurückzufordern, wenn der Leistungsempfänger den Bezug durch bewusst unwahre Angaben, bewusste Verschweigung maßgebender Tatsachen oder Verletzung der Meldevorschriften und der Auskunftspflicht herbeigeführt hat oder wenn der Leistungsempfänger erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Das ist auch gut so. Denn wenn der Leistungsempfänger etwas vortäuscht oder davon weiß, dass er etwas zu Unrecht erhält, dann soll er nicht von Fehlern des Versicherungsträgers profitieren.
Nun gibt es aber auch Fälle, wo der Fehler zuerst weder dem Versicherungsträger noch dem Leistungsempfänger auffällt. Der Leistungsempfänger erhält eine Leistung und verbraucht diese zwischenzeitlich. Wenn der Versicherungsnehmer bzw Leistungsempfänger weder den Fehler erblickt, noch irgendwelche Pflichten (insbesondere Meldepflichten) verletzt hat, dann kann es wohl nicht zu seinen Lasten gehen.
Bei einer Rückforderung wegen des Erkennenmüssens eines unberechtigten Bezuges ist allein zu prüfen, ob der Leistungsempfänger den nicht (in dieser Höhe) gebührenden Leistungsbezug „erkennen musste“, dh ob dem Empfänger – unter Voraussetzung gewöhnlicher (durchschnittlicher) geistiger Fähigkeiten – bei einer ihm nach den Umständen des Einzelfalles zumutbaren Aufmerksamkeit auffallen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Der Tatbestand umfasst sowohl den Fall, dass die Gewährungsentscheidung materiell unrichtig ist und diese Unrichtigkeit dem Empfänger auffallen musste, als auch den weiteren Fall, dass sich die vom Empfänger erkannte Unrechtmäßigkeit erst nach der Gewährungsentscheidung eingestellt hat, etwa bei einer tatsächlichen Überzahlung oder bei Eintritt eines Ruhensgrundes; bei Gewährung einer laufenden Leistung wird es daher genügen, wenn der Empfänger die Möglichkeit ernstlich in Betracht ziehen musste, dass ihm die Leistung zu Unrecht gewährt wird.
In einem Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht Wien, welches zugunsten des Mandanten von Georg Kudrna ausging, informierte der Leistungsempfänger den Versicherungsträger umfassend und mehrmals sowohl schriftlich als auch telefonisch. Zusätzlich wurde ihm vom Versicherungsträger telefonisch ausdrücklich zugesagt, dass er Anspruch auf eine Geldleistung hat, welche ihm auch dann ausbezahlt wurde. Der Leistungsempfänger durfte daher – so auch die Ansicht des Arbeits- und Sozialgerichts Wien – auf die Richtigkeit der telefonischen Information des Versicherungsträgers vertrauen. Er bezog die Leistungen im guten Glauben. Folglich musste er die Möglichkeit, dass ihm die Leistung zu Unrecht gewährt werde, nicht ernstlich in Betracht ziehen, sodass der Versicherungsträger danach auch nicht die Rückzahlung der Leistung verlangen kann. Für den Fehler des Versicherungsträgers hatte daher ausschließlich der Versicherungsträger einzustehen.